Was versteht man unter einem offenen Foramen ovale?
Der
menschliche Fetus ist im Mutterleib über die Plazenta an den mütterlichen Stoffwechsel
angeschlossen. Der Stoffaustausch mit der Mutter erfolgt dabei über die 50 - 60 cm lange
Nabelschnur, die zwei Arterien und eine Vene enthält. Über die Vene wird der kindliche
Organismus mit Sauerstoff und Nährstoffen aus dem Kreislauf der Mutter versorgt, während
die beiden Arterien sauerstoffarmes Blut und unverwendbare Stoffwechselprodukte vom Fetus
zum mütterlichen Kreislauf zurück transportieren. Diese Art des Stoffaustausches ist
notwendig, da der Fetus ja vor der Geburt noch nicht in der Lage ist, über die eigenen
Lungen Sauerstoff aufzunehmen bzw. über das Verdauungssystem und die Nieren
Stoffwechselprodukte auszuscheiden. Aus diesem Grunde besitzt der fetale Blutkreislauf
einige Besonderheiten. Unter anderem ist der kleine (Lungen-) Kreislauf auf ein Minimum
beschränkt, solange die Atmung nach der Geburt noch nicht eingesetzt hat. Dafür,
dass
einerseits dennoch eine ausgeglichene fetale Zirkulation möglich ist und andererseits zum
Zeitpunkt der Geburt sofort die volle Funktion des Lungenkreislaufes gewährleistet wird,
sorgt das Foramen ovale.
Das Foramen ovale (foramen = lateinische Bezeichnung für Öffnung oder
Lücke) stellt einen sichelförmigen Schlitz zwischen den Überlappungsstellen der
primären und sekundären Vorhofscheidewand dar (siehe linke Seite der Abbildung
Foramen ovale). Es ermöglicht den Blutstrom aus der unteren
Hohlvene in den linken Vorhof. Damit ist eine direkte Verbindung zwischen venösem und
arteriellem System (Rechts-Links-Shunt) hergestellt. Unmittelbar nach der Geburt steigen
sowohl der Blutfluß im Lungenkreislauf als auch der Druck im linken Vorhof an. Dies
führt in den meisten Fällen dazu, dass das Foramen ovale durch die ventilähnliche
Wirkung der primären Vorhofscheidewand geschlossen wird und auch geschlossen bleibt,
solange der Druck im linken Vorhof größer ist als im rechten (siehe rechte Seite der
Abbildung (Foramen ovale).
Normalerweise verschmelzen primäre und sekundäre Vorhofscheidewand bis
zum Ende des ersten Lebensjahres vollständig mit dem umgebenden Gewebe und schließen das
Foramen ovale, das nun keine Funktion mehr erfüllen muss. Dies geschieht allerdings nur
bei einem knappen Dreiviertel aller Menschen. Die statistische Auswertung pathologischer
Untersuchungen an Verstorbenen ergab, das im Durchschnitt bei 27% der erwachsenen
Bevölkerung Mitteleuropas das Foramen ovale nicht oder nicht vollständig geschlossen
ist. Die Mediziner sprechen dabei von einem persistenten (andauernden) Foramen ovale
(abgekürzt PFO).
2. Welche Gefahren birgt ein PFO für den Sporttaucher?
Im Gegensatz zu anderen Defekten der Herzscheidewand, bei denen es zu einem
ständigen Blutaustausch von rechts nach links oder von links nach rechts kommt, und die
mitunter bereits im Kleinkindalter operativ korrigiert werden müssen, kommt es bei einem
PFO nur dann zu einem Rechts-Links-Shunt, wenn der Druck im rechten Vorhof
(Lungenkreislauf) größer wird als im linken (Körperkreislauf). Dies geschieht beim
Gesunden nur sehr kurzzeitig zu Beginn der Ventrikelsystole (Kontraktion der Herzkammer),
wenn die Trikuspidalklappe (zwischen rechtem Vorhof und rechter Herzkammer) zeitlich etwas
vor der Mitralklappe (zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer) schließt. Dies ist
jedoch physiologisch und hat normalerweise auch bei einem PFO keine Folgen.
Anders sieht es jedoch beim Husten oder bei einem Valsalva-Manöver
(starkes Pressen nach tiefem Einatmen) aus. Hierbei kommt es durch das Pressen zu einem
kurzzeitigen, mechanisch bedingten Druckanstieg im Brustraum, der auch den Blutdruck im
rechten Vorhof erhöht. Im Falle eines PFO kann dies zu einem Rechts-Links-Shunt führen,
wobei venöses Blut, bevor es in den Lungenkreislauf fließt, in den arteriellen
Körperkreislauf gelangt. Die Menge des Blutes ist dabei von der Größe des Kanals und
von der Höhe der Druckdifferenz abhängig. Doch auch dies ist normalerweise noch
weitestgehend ungefährlich. Man vermutet zwar, dass ein solcher Mechanismus an der
Entstehung einer bestimmten Form eines Schlaganfalles beteiligt sein könnte, diese tritt
jedoch sehr selten auf.
Was könnte nun bei Tauchern mit einem PFO passieren? Zunächst gilt für
alle Taucher gleichermaßen, dass allein durch das Eintauchen in das Medium Wasser
(Immersion), die waagerechte Schwimmlage und eventuell auch durch einen eng sitzenden
(Trocken-) Tauchanzug der mechanische Druck auf den Brustraum erhöht ist. Kommen nun noch
andere Faktoren hinzu, wie Husten (Wasser im Lungenautomat!) oder Valsalva-Manöver
(Druckausgleich!), dann sind mehrere Voraussetzungen erfüllt, den Blutdruck im rechten
Vorhof ansteigen zu lassen. Im Falle eines PFO ist nun ein Rechts-Links-Shunt wesentlich
wahrscheinlicher.
Man weiß inzwischen, dass sich beim Presslufttauchen bei allen Tauchern
auch innerhalb der Nullzeit im venösen Kreislauf Gasbläschen bilden, die aus anderen
Geweben eingeschleppt sind, die jedoch normalerweise über die Lunge wieder abgeatmet
werden. Im Falle eines durch ein PFO ermöglichten Rechts-Links-Shunts ist es jedoch nicht
ausgeschlossen, dass diese Bläschen über das arterielle System bis in die Blutversorgung
des Rückenmarks bzw. in die Hirnbasisarterien gelangen, wo sie durch Unterbrechung der
Sauerstoffversorgung Gewebeschäden mit schweren bis lebensgefährlichen Folgen
verursachen können (Dekompressions-Krankheit Typ II).
3. Besteht ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen PFO und Hirnschäden?
Dr. Reul und eine Gruppe von Ärzten des Klinikums der Technischen
Hochschule Aachen hatten 1995 über eine Studie mit Hobbytauchern berichtet, von denen die
meisten keinen nachweisbaren Dekompressionsunfall hinter sich hatten, jedoch mehr
erkennbare Schäden im Bereich des zentralen Nervensystems und der Wirbelsäule aufwiesen,
als eine Kontrollgruppe von Nichttauchern. (Siehe:
Verursacht Tauchen Hirnschäden?)
Eine Gruppe von Ärzten aus Heidelberg unter Leitung von Dr. Knauth
untersuchten ebenfalls, wie die Aachener Ärzte mit Hilfe der Kernspinresonanz-Tomographie
(MRI), eine Gruppe von Sporttauchern auf Hirnschäden. Gleichzeitig überprüften sie
jedoch noch das Vorhandensein eines PFO mittels "Bubble-Test", einer speziellen
Ultraschalltechnik (Dopplersonographie) bei gleichzeitiger Anwendung eines
Kontrastmittels. Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, ob es möglicherweise einen
Zusammenhang zwischen den von Reul und Mitarbeitern beschriebenen Hirnschäden und einem
PFO gibt.
Von 87 untersuchten Sporttauchern mit mindestens 160 Tauchgängen hatten 11
Taucher insgesamt 41 mittels MRI erkennbare Hirnschäden. Bei 25 der Probanden konnte
sonographisch ein PFO nachgewiesen werden. Dabei verteilten sich die Hirnschäden
folgendermaßen: 4 Taucher mit PFO hatten insgesamt 34 Läsionen im Hirn, während 7
Taucher ohne PFO insgesamt nur 7 Hirnläsionen aufwiesen. Keine Hirnschäden hatten 21
Taucher mit PFO und 55 Taucher ohne PFO. Betrachtet man die Zahl der Taucher mit
Hirnläsionen mit und ohne PFO, so ergibt sich kein großer Unterschied zwischen beiden
Gruppen. Wenn man jedoch berücksichtigt, wie sich die Gesamtzahl der einzelnen
Hirnschäden auf beide Gruppen verteilt, so zeigt sich, dass die Taucher mit PFO eine
statistisch signifikant größere Zahl an Hirnschäden aufweisen. Anders ausgedrückt:
etwa 80% der Hirnläsionen wurden bei Tauchern gefunden, die ein PFO aufwiesen. Trotzdem
hatten 84% der Taucher mit PFO und 89% ohne PFO keine Hirnläsionen.
Die Autoren der Heidelberger Studie leiten daraus die
Schlussfolgerung ab,
dass ein PFO wahrscheinlich ein wichtiger Risikofaktor für das Auftreten von
Hirnläsionen bei Sporttauchern ist.
Eine andere Studie hat gezeigt, dass bei verunfallten Tauchern die Zahl mit
PFO höher lag, als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Andererseits wird über
Berufstaucher mit PFO berichtet, die niemals einen Dekompressionsunfall erlitten haben.
4. Wie kann sich der Sporttaucher vor Hirnschäden schützen?
Die Bedeutung der beschriebenen Hirnläsionen ist noch unklar, das heißt,
es ist noch nicht mit Sicherheit zu sagen, ob die symptomlosen Veränderungen funktionelle
Spätschäden nach sich ziehen. Man sollte sich jedoch durchaus bewusst sein,
dass es sich
um kleine Verletzungen handelt, die mit dem Untergang von Hirnzellen einhergehen.
Die Diagnose eines offenen Foramen ovale ist nicht billig und nicht ohne
weiteres von jedem Arzt durchführbar. Daher wird der Test auf ein PFO wohl in absehbarer
Zeit noch kein Standard der Tauchtauglichkeitsuntersuchung werden. Darüber hinaus
lässt
es die große Zahl der Taucher, die rein statistisch ein PFO haben muss, (etwa ein Viertel
aller Taucher) und die dennoch niemals einen ungeklärten Tauchunfall erlitten, sowie der
hohe Anteil an Tauchern mit nachgewiesenem PFO aber ohne erkennbare Hirnschäden, heute
noch nicht gerechtfertigt erscheinen, die Tauchtauglichkeit bei PFO einzuschränken.
Insofern kann man eigentlich nur allen Tauchern zur Vorsicht raten.
Taucher, die jedoch von einem PFO wissen, sollten sich im klaren darüber sein,
dass sie
einer Risikogruppe angehören. Sie sollten so tauchen, dass die Blasenbildung möglichst
gering bleibt:
-
die Nullzeitgrenzen möglichst nicht ausreizen
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Wiederholungstauchgänge nach größerer Pause
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keine Jojo-Tauchgänge
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tiefe Tauchgänge vermeiden
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maximale Aufstiegsgeschwindigkeit lieber unterschreiten
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zusätzliche Sicherheitsstops einlegen
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