4.2.2.1 Foramenovale

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Tauchmedizin

4.12 Das foramen Ovale

Was versteht man unter einem offenen Foramen ovale?

Der menschliche Fetus ist im Mutterleib über die Plazenta an den mütterlichen Stoffwechsel angeschlossen. Der Stoffaustausch mit der Mutter erfolgt dabei über die 50 - 60 cm lange Nabelschnur, die zwei Arterien und eine Vene enthält. Über die Vene wird der kindliche Organismus mit Sauerstoff und Nährstoffen aus dem Kreislauf der Mutter versorgt, während die beiden Arterien sauerstoffarmes Blut und unverwendbare Stoffwechselprodukte vom Fetus zum mütterlichen Kreislauf zurück transportieren. Diese Art des Stoffaustausches ist notwendig, da der Fetus ja vor der Geburt noch nicht in der Lage ist, über die eigenen Lungen Sauerstoff aufzunehmen bzw. über das Verdauungssystem und die Nieren Stoffwechselprodukte auszuscheiden. Aus diesem Grunde besitzt der fetale Blutkreislauf einige Besonderheiten. Unter anderem ist der kleine (Lungen-) Kreislauf auf ein Minimum beschränkt, solange die Atmung nach der Geburt noch nicht eingesetzt hat. Dafür, dass einerseits dennoch eine ausgeglichene fetale Zirkulation möglich ist und andererseits zum Zeitpunkt der Geburt sofort die volle Funktion des Lungenkreislaufes gewährleistet wird, sorgt das Foramen ovale.

Das Foramen ovale (foramen = lateinische Bezeichnung für Öffnung oder Lücke) stellt einen sichelförmigen Schlitz zwischen den Überlappungsstellen der primären und sekundären Vorhofscheidewand dar (siehe linke Seite der Abbildung Foramen ovale). Es ermöglicht den Blutstrom aus der unteren Hohlvene in den linken Vorhof. Damit ist eine direkte Verbindung zwischen venösem und arteriellem System (Rechts-Links-Shunt) hergestellt. Unmittelbar nach der Geburt steigen sowohl der Blutfluß im Lungenkreislauf als auch der Druck im linken Vorhof an. Dies führt in den meisten Fällen dazu, dass das Foramen ovale durch die ventilähnliche Wirkung der primären Vorhofscheidewand geschlossen wird und auch geschlossen bleibt, solange der Druck im linken Vorhof größer ist als im rechten (siehe rechte Seite der Abbildung (Foramen ovale).wpe1.jpg (46668 Byte)

Normalerweise verschmelzen primäre und sekundäre Vorhofscheidewand bis zum Ende des ersten Lebensjahres vollständig mit dem umgebenden Gewebe und schließen das Foramen ovale, das nun keine Funktion mehr erfüllen muss. Dies geschieht allerdings nur bei einem knappen Dreiviertel aller Menschen. Die statistische Auswertung pathologischer Untersuchungen an Verstorbenen ergab, das im Durchschnitt bei 27% der erwachsenen Bevölkerung Mitteleuropas das Foramen ovale nicht oder nicht vollständig geschlossen ist. Die Mediziner sprechen dabei von einem persistenten (andauernden) Foramen ovale (abgekürzt PFO).

2. Welche Gefahren birgt ein PFO für den Sporttaucher?

Im Gegensatz zu anderen Defekten der Herzscheidewand, bei denen es zu einem ständigen Blutaustausch von rechts nach links oder von links nach rechts kommt, und die mitunter bereits im Kleinkindalter operativ korrigiert werden müssen, kommt es bei einem PFO nur dann zu einem Rechts-Links-Shunt, wenn der Druck im rechten Vorhof (Lungenkreislauf) größer wird als im linken (Körperkreislauf). Dies geschieht beim Gesunden nur sehr kurzzeitig zu Beginn der Ventrikelsystole (Kontraktion der Herzkammer), wenn die Trikuspidalklappe (zwischen rechtem Vorhof und rechter Herzkammer) zeitlich etwas vor der Mitralklappe (zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer) schließt. Dies ist jedoch physiologisch und hat normalerweise auch bei einem PFO keine Folgen.

Anders sieht es jedoch beim Husten oder bei einem Valsalva-Manöver (starkes Pressen nach tiefem Einatmen) aus. Hierbei kommt es durch das Pressen zu einem kurzzeitigen, mechanisch bedingten Druckanstieg im Brustraum, der auch den Blutdruck im rechten Vorhof erhöht. Im Falle eines PFO kann dies zu einem Rechts-Links-Shunt führen, wobei venöses Blut, bevor es in den Lungenkreislauf fließt, in den arteriellen Körperkreislauf gelangt. Die Menge des Blutes ist dabei von der Größe des Kanals und von der Höhe der Druckdifferenz abhängig. Doch auch dies ist normalerweise noch weitestgehend ungefährlich. Man vermutet zwar, dass ein solcher Mechanismus an der Entstehung einer bestimmten Form eines Schlaganfalles beteiligt sein könnte, diese tritt jedoch sehr selten auf.

Was könnte nun bei Tauchern mit einem PFO passieren? Zunächst gilt für alle Taucher gleichermaßen, dass allein durch das Eintauchen in das Medium Wasser (Immersion), die waagerechte Schwimmlage und eventuell auch durch einen eng sitzenden (Trocken-) Tauchanzug der mechanische Druck auf den Brustraum erhöht ist. Kommen nun noch andere Faktoren hinzu, wie Husten (Wasser im Lungenautomat!) oder Valsalva-Manöver (Druckausgleich!), dann sind mehrere Voraussetzungen erfüllt, den Blutdruck im rechten Vorhof ansteigen zu lassen. Im Falle eines PFO ist nun ein Rechts-Links-Shunt wesentlich wahrscheinlicher.

Man weiß inzwischen, dass sich beim Presslufttauchen bei allen Tauchern auch innerhalb der Nullzeit im venösen Kreislauf Gasbläschen bilden, die aus anderen Geweben eingeschleppt sind, die jedoch normalerweise über die Lunge wieder abgeatmet werden. Im Falle eines durch ein PFO ermöglichten Rechts-Links-Shunts ist es jedoch nicht ausgeschlossen, dass diese Bläschen über das arterielle System bis in die Blutversorgung des Rückenmarks bzw. in die Hirnbasisarterien gelangen, wo sie durch Unterbrechung der Sauerstoffversorgung Gewebeschäden mit schweren bis lebensgefährlichen Folgen verursachen können (Dekompressions-Krankheit Typ II).

3. Besteht ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen PFO und Hirnschäden?

Dr. Reul und eine Gruppe von Ärzten des Klinikums der Technischen Hochschule Aachen hatten 1995 über eine Studie mit Hobbytauchern berichtet, von denen die meisten keinen nachweisbaren Dekompressionsunfall hinter sich hatten, jedoch mehr erkennbare Schäden im Bereich des zentralen Nervensystems und der Wirbelsäule aufwiesen, als eine Kontrollgruppe von Nichttauchern. (Siehe: Verursacht Tauchen Hirnschäden?)

Eine Gruppe von Ärzten aus Heidelberg unter Leitung von Dr. Knauth untersuchten ebenfalls, wie die Aachener Ärzte mit Hilfe der Kernspinresonanz-Tomographie (MRI), eine Gruppe von Sporttauchern auf Hirnschäden. Gleichzeitig überprüften sie jedoch noch das Vorhandensein eines PFO mittels "Bubble-Test", einer speziellen Ultraschalltechnik (Dopplersonographie) bei gleichzeitiger Anwendung eines Kontrastmittels. Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, ob es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen den von Reul und Mitarbeitern beschriebenen Hirnschäden und einem PFO gibt.

Von 87 untersuchten Sporttauchern mit mindestens 160 Tauchgängen hatten 11 Taucher insgesamt 41 mittels MRI erkennbare Hirnschäden. Bei 25 der Probanden konnte sonographisch ein PFO nachgewiesen werden. Dabei verteilten sich die Hirnschäden folgendermaßen: 4 Taucher mit PFO hatten insgesamt 34 Läsionen im Hirn, während 7 Taucher ohne PFO insgesamt nur 7 Hirnläsionen aufwiesen. Keine Hirnschäden hatten 21 Taucher mit PFO und 55 Taucher ohne PFO. Betrachtet man die Zahl der Taucher mit Hirnläsionen mit und ohne PFO, so ergibt sich kein großer Unterschied zwischen beiden Gruppen. Wenn man jedoch berücksichtigt, wie sich die Gesamtzahl der einzelnen Hirnschäden auf beide Gruppen verteilt, so zeigt sich, dass die Taucher mit PFO eine statistisch signifikant größere Zahl an Hirnschäden aufweisen. Anders ausgedrückt: etwa 80% der Hirnläsionen wurden bei Tauchern gefunden, die ein PFO aufwiesen. Trotzdem hatten 84% der Taucher mit PFO und 89% ohne PFO keine Hirnläsionen.

Die Autoren der Heidelberger Studie leiten daraus die Schlussfolgerung ab, dass ein PFO wahrscheinlich ein wichtiger Risikofaktor für das Auftreten von Hirnläsionen bei Sporttauchern ist.

Eine andere Studie hat gezeigt, dass bei verunfallten Tauchern die Zahl mit PFO höher lag, als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Andererseits wird über Berufstaucher mit PFO berichtet, die niemals einen Dekompressionsunfall erlitten haben.

4. Wie kann sich der Sporttaucher vor Hirnschäden schützen?

Die Bedeutung der beschriebenen Hirnläsionen ist noch unklar, das heißt, es ist noch nicht mit Sicherheit zu sagen, ob die symptomlosen Veränderungen funktionelle Spätschäden nach sich ziehen. Man sollte sich jedoch durchaus bewusst sein, dass es sich um kleine Verletzungen handelt, die mit dem Untergang von Hirnzellen einhergehen.

Die Diagnose eines offenen Foramen ovale ist nicht billig und nicht ohne weiteres von jedem Arzt durchführbar. Daher wird der Test auf ein PFO wohl in absehbarer Zeit noch kein Standard der Tauchtauglichkeitsuntersuchung werden. Darüber hinaus lässt es die große Zahl der Taucher, die rein statistisch ein PFO haben muss, (etwa ein Viertel aller Taucher) und die dennoch niemals einen ungeklärten Tauchunfall erlitten, sowie der hohe Anteil an Tauchern mit nachgewiesenem PFO aber ohne erkennbare Hirnschäden, heute noch nicht gerechtfertigt erscheinen, die Tauchtauglichkeit bei PFO einzuschränken.

Insofern kann man eigentlich nur allen Tauchern zur Vorsicht raten. Taucher, die jedoch von einem PFO wissen, sollten sich im klaren darüber sein, dass sie einer Risikogruppe angehören. Sie sollten so tauchen, dass die Blasenbildung möglichst gering bleibt:

  • die Nullzeitgrenzen möglichst nicht ausreizen
  • Wiederholungstauchgänge nach größerer Pause
  • keine Jojo-Tauchgänge
  • tiefe Tauchgänge vermeiden
  • maximale Aufstiegsgeschwindigkeit lieber unterschreiten
  • zusätzliche Sicherheitsstops einlegen

 

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Bei Fragen und Unklarheiten wenden Sie sich bitte an: Info@Dive-projekt.de   Stand: 10. Oktober 2004